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So erfuhren sie, dass die „kriminelle Zeit“ nicht erst mit der Machtergreifung Hitlers in den Landkreis kam, sondern schon viel früher. Bereits im Anschluss an den ersten Weltkrieg agierte der „Alldeutsche Verband“, aus dem sich 1920 in Lindau der „Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund“ gründete. Dieser vertrat im Gegensatz zum althergebrachten religiösen Antisemitismus bereits den völkisch-ideologischen und gründete 1922, nach einem gescheiterten ersten Versuch 1921, die NSDAP-Ortsgruppe Lindau. 1923 folgte die Gründung der Ortsgruppe Lindenberg. Während die Lindauer in der Brauerei Schachen ihre Zusammenkünfte abhielten und dort darüber diskutierten, wie die Judenfrage zu lösen sei, trafen sich die Lindenberger im Café Schemminger. Ihre Mitglieder stammten aus der Mittelschicht. In Lindau gründete sich zudem 1922 die SA, in Lindenberg 1928. |
So erfuhren sie, dass die „kriminelle Zeit“ nicht erst mit der Machtergreifung Hitlers in den Landkreis kam, sondern schon viel früher. Bereits im Anschluss an den ersten Weltkrieg agierte der „Alldeutsche Verband“, aus dem sich 1920 in Lindau der „Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund“ gründete. Dieser vertrat im Gegensatz zum althergebrachten religiösen Antisemitismus bereits den völkisch-ideologischen und gründete 1922, nach einem gescheiterten ersten Versuch 1921, die NSDAP-Ortsgruppe Lindau. 1923 folgte die Gründung der Ortsgruppe Lindenberg. Während die Lindauer in der Brauerei Schachen ihre Zusammenkünfte abhielten und dort darüber diskutierten, wie die Judenfrage zu lösen sei, trafen sich die Lindenberger im Café Schemminger. Ihre Mitglieder stammten aus der Mittelschicht. In Lindau gründete sich zudem 1922 die SA, in Lindenberg 1928. |
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− | Den wirklichen Anfang ihrer Blütezeit nahm die Nazibewegung jedoch erst ab 1925, nachdem Adolf Hitler persönlich bei der Neugründung der Lindauer NSDAP anwesend war. Schritt für Schritt gingen die Nazis gegen die Gewerkschaftsverbände, Kommunisten, Sozialisten und Juden vor, bis ihnen die Machtergreifung Hitlers 1933 das offizielle Recht dazu gab. Die ersten Verhaftungen fanden auf den Fuß statt. „Um die Leute zu demütigen, wurden sie öffentlich durch die Stadt zum Bahnhof geführt, um dann nach Dachau zu fahren“, berichtete Schweizer und erklärte, dass es in Lindau nicht anders zuging wie in anderen Städten. |
+ | Den wirklichen Anfang ihrer Blütezeit nahm die Nazibewegung jedoch erst ab 1925, nachdem Adolf Hitler persönlich bei der Neugründung der Lindauer NSDAP anwesend war. Schritt für Schritt gingen die Nazis gegen die Gewerkschaftsverbände, Kommunisten, Sozialisten und Juden vor, bis ihnen die Machtergreifung Hitlers 1933 das offizielle Recht dazu gab. Die ersten Verhaftungen fanden auf den Fuß statt. „Um die Leute zu demütigen, wurden sie öffentlich durch die Stadt zum Bahnhof geführt, um dann nach Dachau zu fahren“, berichtete Schweizer und erklärte, dass es in Lindau nicht anders zuging wie in anderen Städten. |
+ | „Mit dem Unterschied, dass sie hier keine Leute umgebracht haben.“ Was seiner Einschätzung nach daran lag, dass die Lindauer Nazis ihr Gesicht vor den Schweizer Touristen wahren wollten. Vorschub leistete den braunen Umtrieben die Tatsache, dass im Lindauer Stadtrat nicht nur zwei Nazis saßen, sondern auch Oberbürgermeister Ludwig Siebert sowie sein Sohn Friedrich seit 1931 Mitglieder der NSDAP waren. Ebenso wie sie sollten etwa auch die Lindenberger Otto Jung und Alfred Schneidawind sowie Josef Strodel und Georg Bodenmüller aus Hergensweiler innerhalb des deutschen Reiches steil Karriere machen. |
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− | Schweizer berichtete nicht nur über die Flucht- und Schmuggelwege im Landkreis, sondern auch über die Lebenswege dreier Kommunisten der ersten Verhaftungswelle, die aus Dachau entlassen wurden und nach Spanien zogen, um die Franco-Faschisten zu bekämpfen |
+ | Schweizer berichtete nicht nur über die Flucht- und Schmuggelwege im Landkreis, sondern auch über die Lebenswege dreier Kommunisten der ersten Verhaftungswelle, die aus Dachau entlassen wurden und nach Spanien zogen, um die Franco-Faschisten zu bekämpfen. |
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+ | Oder darüber, wie die Nazis die ländliche Bevölkerung für sich vereinnahmten, dass es auch im Landkreis 19 Euthanasieopfer gab und wie ein Vater aus Schlachters seine beiden Buben vor dem Tod bewahrt hat. |
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− | Der NS-Faschismus im Landkreis |
+ | Der NS-Faschismus im Landkreis Lindau 1919-1945 |
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+ | Esseratsweiler / Hugelitz |
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musste für Leni Riefenstahl schauspielern 46 |
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[[Gestratz-Horben]] |
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[[Michael Kitzelmann]] wollte nicht unter NS-Lumpen leben 48 |
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+ | Hergatz-Wohmbrechts |
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o [[Georg Straub]] wurde |
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kurz vor dem NS-Ende 1945 ermordet 58 |
kurz vor dem NS-Ende 1945 ermordet 58 |
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Der Reichsnährstand |
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will einzelne Bauern ruinieren 60 |
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Hergensweiler-Stockenweiler |
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− | o Mathilde K. durfte nicht heiraten 62 |
+ | o Mathilde K. durfte nicht heiraten 62 |
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+ | Lindau-Hoyren |
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+ | Karl Aßfalg und [[Benedikt Hagenauer]] |
litten bereits früh unter der Verfolgung 66 |
litten bereits früh unter der Verfolgung 66 |
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− | und ins Konzentrationslager eingeliefert |
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und das Attentat vom 20. Juli 1944 74 |
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Nonnenhorn |
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− | φ Α η η ϊ und Georg Stoppel |
+ | φ Α η η ϊ und [[Georg Stoppel]] |
trotzten erfolgreich einem Todesurteil 78 |
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Oberreitnau |
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Φ Landwirt Gebhard aus Humbertsweiler |
Φ Landwirt Gebhard aus Humbertsweiler |
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durfte sich 1940 nicht mit Soldaten unterhalten 82 |
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Oberreute |
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durften nicht weiter leben 84 |
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Opfenbach-Wigratzbad |
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− | ệ Antonie Rädler und Pfa「e「Josef Wohlfinder |
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lebten weiter mutig ihren Glauben 86 |
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Röthenbach |
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+ | Φ Benefiziat [[Franz Xaver Benedikter]] wurde ins KZ Dachau verschleppt 88 |
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− | + | Bürgermeister [[Albert Thannheimer]] musste zurücktreten 90 |
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Röthenbach-Happareute |
Röthenbach-Happareute |
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− | Φ Lehrer Otto Daschner wurde strafversetzt 92 |
+ | Φ Lehrer [[Otto Daschner]] wurde strafversetzt 92 |
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+ | Rothenbach-Rentershofen |
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Φ Inatte Ferdinand Hug |
Φ Inatte Ferdinand Hug |
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kein Recht auf Arbeit und Brot? 94 |
kein Recht auf Arbeit und Brot? 94 |
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Scheidegg |
Scheidegg |
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− | Φ Große Fluchten über die grüne Grenze 96 |
+ | Φ Große Fluchten über die grüne Grenze 96 |
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+ | Schlachters-Biesings |
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+ | Sigmarszell-Thumen |
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Version vom 21. September 2018, 07:07 Uhr
mehr zu dem kleinen Geschichtsbuch von
Karl Schweizer
Verfolgung, Flucht und Widerstand im Landkreis_Lindau 1933-1945
28 Stationen der Nazi-Verfolgung und des Widerstandes beschreibt der Lindauer Autor Karl „Charly“ Schweizer darin.
Vom Hafen, einst das ‚Freiheitstor‘ in die Schweiz, über ehemals jüdische Kaufhäuser im Gassengewirr und Zwangsarbeiterlager vor den Toren der Stadt, bis zum ehemaligen Gestapohaus reichen die Anlaufziele des Lindauer Gedenkweges.
„Der Gedenkweg macht deutlich“, so Oberbürgermeisterin Meier to Bernd-Seidl in ihrem Vorwort zu der 2010 erschienenen Broschüre, „dass die Opfer nicht aus entfernten Regionen stammen, sondern dass sie unsere Nachbarn waren, in unserer Stadt wohnten und arbeiteten, dass auch in unseren Straßen Zeugnisse ihres Leids und ihres mutigen Widerstandes gegen ein menschenverachtendes System zu finden sind.“
Denn „Charly“ Schweizer versammelt in seinem gut 70seitigen Büchlein – schnörkellos geschrieben, übersichtlich gestaltet und in so knappen Format, dass es in jede Jackentasche passt – vergessene Lebenswege und verschwundene Zeugnisse der Nazi-Diktatur, die es zu erinnern gilt: Vom Bienenforscher Prof. Armbruster beispielsweise und von mutigen Pastoren, von Spanien-Kämpfern und unerschrockenen Gewerkschaftern, von jüdischen Kaufleuten, die niemand mehr kennen wollte, bis zu Stadträten, deren Widerstand allzu schnell vergessen wurde.
Ergänzt werden diese Schilderungen durch einen vom Stadtarchivar Heiner Stauder verfassten, detailreichen Abriss der Lindauer Nazi-Geschichte.
Der Autor Karl Schweizer ist im Hauptberuf Lehrer und bereits durch zahlreiche Schriften zur Lindauer Nazi-Vergangenheit bekannt, will denn auch mit dieser Veröffentlichung die Möglichkeit schaffen, „ein bisschen gegenzuhalten gegen Rassismus, Antidemokratismus und Antisemitismus in ihren unterschiedlichen Formen in unserer Zeit.“ Passend dazu, wird das Heftlein in Lindauer Schulen kostenlos verteilt.
Literatur
- Karl Schweizer: Verfolgung, Flucht und Widerstand im Landkreis_Lindau 1933-1945. Hrsg. vom Landkreis_Lindau, 2016. 132 Seiten. ohne isbn
- www.edition-inseltor-lindau.de/novemberrevolution1918.pdf
- Karl Schweizer: „Lindau - 1. Weltkrieg, Novemberrevolution, Räterepublik“, Lindau, 1979.
- K.S: Jakobiner am Bodensee - Lindau und die Französische Revolution 1789 - Ein Überblick. Edition Inseltor Lindau (2014), 100 S. ISBN 9783981130539
- dto und Heiner Stauder: Lindauer Gedenkweg Verfolgung und Widerstand 1933-1945.